Interview mit Anna Schubert
Anna: »Lieber Franz, du bist CSR Consultant und Textilagent in Simbabwe. Dein Erfahrungsschatz ist sicherlich groß und die Einblicke vielfältig. Deine Verbundenheit zu der Textilindustrie in Simbabwe startet im Jahr 1982. Eine lange Zeit mit sicherlich einigen Höhen und Tiefen der wirtschaftlichen als auch der politischen Situation im Land. Wir freuen uns über eine Einblick in die simbabwische textile Lieferkette! Wir sind gespannt auf deinen Bericht.«
Anna: »Zum Start und Orientierung, welche textilen Prozessschritte gibt es in Simbabwe überhaupt?«
Franz: »In Zimbabwe wird traditionell Baumwolle, auch gute Baumwolle angebaut: Früher auf Großfarmen, heute fast ausschließlich kleinebäuerlich, weitgehende unbewässert und handgepflückt. Wobei die Verwaltung und Abwicklung meist über Dorfgemeinden, sogenannte Gros-Point, organisiert wird.
Von Anfang an gab es die staatlich Jinnery (Baumwollhändler) Cottco, die nicht nur die Baumwolle aufkauft, sondern auch Saatgut vermarktet und „Inputs“ wie Kunstdünger und Pestizide zumindest begrenzt zur Verfügung stellt. Zwischenzeitlich gab es einige private Händler (Cargill/Alliance) von denen die meisten aufgegeben haben, weil auch zwischenzeitlich passende Rahmenbedingungen gefehlt haben. Fehlende Konkurrenz belebt deshalb nicht das Geschäft, weder für die lokale Weiterverarbeitung, noch für die Produzenten und Kleinbauern. Einen kleinen Vorteil hat die weit-gehend zentrale Vermarktung der Baumwolle: Ein Teil der Produktion wird bewusst zur lokalen Weiterverarbeitung an die lokale Textileindustrie verkauft. Zu anderen Zeiten haben Händler lieber exportiert, um sich ausschließlich die sehr beliebten Devisen zu verdienen.
Folgend der textilen Produktionskette gibt es in Zimbabwe Alles was zur Textil- und Bekleidungsindustrie gehört. Vor 40 Jahren als ich nach Zimbabwe kam arbeiteten 50.000 Menschen und auch sehr professionell in diesen Sektoren. Jetzt sind es noch ca. 5.000. Es gibt noch zwei kleinere einigermaßen moderne Baumwollspinnereien, die Webereien sind „mittelalter“ (bis ca. 20 Jahre alt) und die Ausrüstungsmaschinen meist noch älter. Damit werden Textilien und daraus Bekleidung hauptsächlich für den lokalen Markt hergestellt. In bestimmten Segmenten kann trotz der veralteten Maschinen mit Importen konkurriert werden, auch wegen Importzöllen. Dazu gehören zum Beispiel Frottierwaren, Baumwollbettwäsche, medizinische Textilien und einfache grobe Baumwollstoffe für Arbeitsbekleidung. Aufgrund von Problemen in den Lieferketten sind aktuell sogar Exporte nach Süd-Afrika wieder möglich und lukrativ, trotz ineffizienter Produktion und logistischer Herausforderungen.«
Anna: »Welchen Stellenwert hat die Textilindustrie in Simbabwe für die Wirtschaft und Gesellschaft?«
Franz: »Ich werde dies einmal in zwei Bereiche aufteilen, einmal in die wirtschaftliche und einmal in den gesellschaftliche Perspektive.«
Wirtschaft
» Die Landwirtschaft spielt in Zimbabwe eine wichtige Rolle und erlebt gerade auch aufgrund guter Regenzeiten einen Boom. Der kommerzielle Landbau war lange Jahre sehr begrenzt (nach Farmenteignungen). Mittlerweile gibt es wieder einige Groß-Farmen, oft durch smart Partnerships. Darüber hinaus gibt es die Kleinbauern, ein Bereich der kaum in Statistiken auftaucht (Tauschhandel) der aber für das Leben eines Großteils der Bevölkerung eine große Rolle spielt.
Die wichtigsten Industriebereiche sind Bergbau, Stahlproduktion, Holzverarbeitung, Chemikalien- und Düngerherstellung, sowie Textilindustrie und Nahrungsmittelverarbeitung. Die wertvollsten Bodenschätze wie Diamanten, Platium, Litium, Gold werden weitgehend von regierungsnahen Organisationen abgebaut, vertrieben bzw verwaltet. Chrom-Minen sind oft in chinesischer Hand. Gerade erst findet Zimbabwe über seine Organisation Zimtrade heraus was für wertvolle Erden es eigentlich im Land gibt.
Für andere Bereiche heißt die Regierungsdevise „we are open for Business“ und es gibt viel Investment-Interessenten. Eine schwerfällige Bürokratie im Bankenwesen als auch bei Behörden erschwert allerdings schnelle Engagement.
Zahlreiche Wirtschaftssektoren leiden unter einer Energie-Knappheit. Die Wasserkraft- vom Kariba- See ist an ihrer Leistungsgrenze (gerade wird dieser jedoch ausgebaut) und das große Kohlekraftwerk in Hwange ist komplett veraltet und fällt oft aus. Man hört von einigen größeren Solarprojekten, aber auch hier scheinen sich Bürokratie und Interessenkonflikte schnelle Lösungen zu verhindern. Im kleineren Stil werden viele Solaranlagen privat finanziert und sind natürlich bei Zimbabwes guter Sonnenleistung ideal zumindest für bestimmt Ansprüche bzw Anforderungen.
Die Textilindustrie ist leider keine treibende Kraft mehr für die Wirtschaft. Aktuell kann man sagen, dass die Produktionsweise der simbabwischen Textilwirtschaft 10 - 30 Jahre hinter der textilen Wirtschaft z.B. in Asien steckt.
Des Weiteren kämpfen die Produktionsstätten in der Wertschöpfungskette mit regelmäßigen Stromausfällen, was bedeutet, dass die Maschinen oft stillstehen. Leider haben die Spinnereien oder Konfektionäre in Simbabwe kaum Solaranlagen auf den Dächern. Grund sind meist die Finanzierungsherausforderung sowie eine langfristige Perspektive.
Betrachtet man das Managementsystem, dann verfolgen die Fabriken den internationalen ISO 9001 Standard. Eine sehr gute Basis für ein gutes Qualitätsmanagement und Organisationsstruktur. Das sind wirklich sehr gute Vorraussetzungen für den Weltmarkt.
Ein besonderer Aspekt im Bezug auf die Nachhaltigkeit ist, dass in Simbabwe fast jeder Abfall einen Weg der Verwertung findet. Zum Beispiel werden textile Schnittreste noch als Füllmaterial verwendet.«
Gesellschaft
»Aktuell sind in Simbabwe noch ca. 5000 Menschen formell in der Textil- und Bekleidungs-wirtschaft beschäftigt. Diese Beschäftigung bringt den Menschen ganz klar ein gesichertes Einkommen und diesen Menschen mit ihren Familien wird eine gewisse Planungssicherheit gegeben. Eine Belastung weniger!
Des Weiteren bietet eine Beschäftigung einen geregelten Tagesablauf, dass ist nicht selbstverständlich bei der prekären wirtschaftlichen Situation. Die politischen und gesellschaftlichen Spannungen in Simbabwe bilden eine große Belastung für die Menschen. Tagesroutine kann einigen Menschen eine psychische Erleichterung und auch eine gewisse Ablenkung der familiären Sorgen bieten.«
Anna: »Danke für diesen Einblick. Vor welchen Herausforderungen steht für dich die Textilindustrie in Simbabwe?«
Franz:
Anna: »Das sind natürlich einige wesentlichen Herausforderungen. Gibt es auch Erkenntnisse bzw. Tatsachen, die dich überraschen?«
Franz:
Anna: »Vielfältige Erkenntnisse, die dir vorliegen! Danke dafür. Lass uns einmal einen Blick auf die Zukunft werfen. Wie siehst du die Zukunft der textilien Industrie in Simbabwe bzw. welche Potenziale siehst du in der simbabwischen Textilien Industrie?«
Franz: »Ich sehe Potenzial, weil der Markt klein und übersichtlich ist und die Menschen in Zimbabwe besser ausgebildet sind als in den Nachbarländern. Schon vor der Unabhängigkeit gab es in Zimbabwe viele Schulen oft Missionsschulen. Ich glaube das lag wohl daran daß in Zimbabwe das Klima für Leute aus Europa sehr angenehm waren und man nicht so viel Angst vor Tropenkrankheiten haben musste. So sind neben den Farmern und anderer Europäer auch viele Missionare gekommen, die Schulen für alle Bevölkerungsschichten aufgebaut haben. Auch während der Mugabe Aera wurde viel Geld und Aufmerksamkeit in die schulische Ausbildung gesteckt. Mittlerweile ist es aber wohl so, dass gerade in diesem Bereich und in den letzten Jahren der Bildungsstand wieder rückläufig ist.
Aufgrund der Überschaubarkeit der „Stakeholders“ kann die Nachhaltigkeit und die Lieferkette leicht überschaut, beeinflusst, ausgebaut und entwickelt werden. Im Bezug auf den Anbau von Baumwolle besteht die Möglichkeit diesen Rohstoff nachhaltig anzubauen wie z.B. GMO-Free, unbewässert, Community-Grown und Handpicked. Betrachten wir den wirtschaftlichen Aspekt, dann liegt ein Potenzial in dem dankbaren lokalen und regionalen Markt. Dieser Markt kann im Zuge der De-Globalisierung und in den Herausforderungen der internationalen Lieferketten noch wichtiger werden wird. Für Exporte nach Europa sehe ich nur eine Chance, wenn ein bestimmtes Produkt, konsequent und nachhaltig aufgebaut wird. Selbst wenn es sich z.B. nur um Naturputzlappen (Mutton-Cloth) oder weiße kleine Frottierhandtücher handelt, die effizient produziert und dann fair und kreativ vermarktet werden können. In der Bekleidung sehe ich konkret eine Absatzchance für weiße Pflegebekleidung. Und nun noch ein kurzer Blick auf die Lederproduktion in Zimbabwe, denn hier sehe ich in der Produktion von hochwertigen Lederartikel, mit organischen Gerb- und Färbeverfahren, eine Möglichkeit. Vor allem aus Häuten von lokalen Wildtieren wie zB. Impala, Antilopen, Büffel evtl. sogar auch Elefanten, von denen es in Zimbabwe zuviele gibt und die auch kontrolliert abgeschossen werden müssen.
Anna: »Danke Franz ! Du hast nun einige Möglichkeiten und Chancen aufgezeigt, welche Vorraussetzungen müssen deiner Meinung nach für diese Entwicklung geschaffen werden?«
Franz: »Besonders in der Textilindustrie müssten einige wichtige Investitionen getätigt werden, in kleine und spezielle Maschinen für erstmal ganz bestimmte Produktionen von 100% Baumwoll-Textilien. Vor allem die Förderung des Baumwollanbaus in Simbabwe, sodass die Wertschöpfungskette innerhalb des Landes gehalten wird. Im besten Fall sollte die Förderung auf den ökologischen Anbau von Baumwolle liegen.
Persönlich halte ich die aktuelle Regierung für Investition verlässlich. Deshalb passiert ja aktuell viel in der Landwirtschaft und beim Abbau von Erzen in den Minen. Wertschöpfung wäre sicherlich der nächste logische Schritt. Dafür müssten für die Industriebetriebe bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden wie z.B. besserer Zugang zu Devisen, besonders für Nachhaltige Investments. Deshalb wohl Senkung der Exporthemmnisse! Am Ende ist es ebenfalls wichtig, für den Aufbau einer stabilen und starken Lieferkette, dass alle wesentlichen Akteure wie Baumwollbauern, Konfektionäre, Transporteure und Organisationen die Sozialstandards in der textilen Lieferketten verbessern möchten zusammenhalten oder zumindest mehr an einem Strang ziehen. Ein oder mehrere potentielle Internationale Investoren könnten da sicherlich einen Unterschied machen.«
Anna: »Denkst Du wirklich, daß deutsche Firmen in Zimbabwe investieren können oder sollten?«
Franz: »Ja das denke ich zweifellos. Allerdings glaube ich, daß es mit einem neuen oder anderen Ansatz passieren sollte, als es heute gängig ist.
Meiner Meinung sollte klein angefangen werden und das Engagement sehr ganzheitlich, fokussiert langfristig gesehen werden. Damit meine ich:
Idealerweise wären dort Aufgaben für Senior-Chefs oder erfahrene Mitarbeiter die den Stress in Deutschland nicht mehr wollen. Ältere Menschen und deren Erfahrung werden in Zimbabwe besonders geschätzt. Vielleicht aufgrund der längeren Lebenserfahrung und erhöhten Geduld bzw. Gelassenheit, wenn es mal nicht gleich oder nicht gleich schnell funktioniert.«
Anna: »Vielen herzlichen Dank für Dein weitreichenden Einblick in die Vergangenheit, Gegenwart und der möglichen Zukunft der simbabwischen Textilindustrie. Danke für deine konkreten Ansätze und das Aufzeigen von Herausforderungen und Chance!
Es bleibt spannend 😊 Danke Franz!«