Helmut Schlaiß
Franz Keck mit Tochter Maita
Am 8. April 2020 verstarb unser gemeinsamer Freund Tom Blomefield im Alter von 93 Jahren. Ihm möchten wir diese Zeilen widmen.
Franz:
Wir waren ja gemeinsam mit Tom im März 2014 – für ihn das letzte Mal – in Zimbabwe und in Tengenenge. Was war der Grund für diese gemeinsame Reise?
Helmut:
Der Hauptgrund war, bei der Bergung der „Vergessenen Skulpturen“ mitzuhelfen und diese dann zu dokumentieren.
Tom vor seinen "vergessenen Skulpturen"
Tom beurteilt die Skulpturen
Freilichtstudio
Franz:
Wie lange warst du in Zimbabwe?
Helmut:
Insgesamt drei Wochen. Etwas mehr als eine Woche verbrachte ich in der Hauptstadt Harare. Dort habe ich deine Geschäftspartner und viele Steinbildhauer kennengelernt und fotografisch dokumentiert. Weitere Highlights waren der Besuch bei deiner Frau Ronika in der Schule für Gehörlose („Emerald Hill School for Deaf“) und das Fotoshooting am Berg Domboshava.
Eine weitere Woche wohnte ich in Tengenenge und einige Tage verweilte ich in Victoria Falls bei den berühmten Wasserfällen. Dort habe ich auch Sharon Katherine, eine sehr begabte Künstlerin, kennengelernt. Sie ist berühmt für ihre „Shielahs“ – Frauenfiguren aus Pappmaché. Ein toller Abschluss war noch ein Helikopterflug über die Viktoria Fälle, ein „Sunset Cruise“ auf dem Sambesi und eine Fotosafari mit Besuch bei einem zahmen Geparden.
Harare
Tom mit dem Museumsdirektor der "National Gallery"
An der Airport Street
Ronika mit drei gehörlosen Schülern
Tom in seinem Element
Fotoshooting bei Domboshava
Helikoüpterflug über die Viktoria Fälle
Sunset Cruise auf dem Sambesi
Helmut und Silvester
Franz:
Du hast auch Amali Malola (damals 100 Jahr alt) und seine Familie kennengelernt und eine Woche in Tengenenge gewohnt. Was für eine Erfahrung war das für dich?
Helmut:
Der Aufenthalt in Tengenenge mit Tom wird für mich unvergesslich bleiben. Ich fühlte mich in eine andere Zeit versetzt und habe mit den Dorfbewohnern und den zahlreichen Künstlern viele schöne Stunden verbracht. Die Begegnung mit Amali Malola war was ganz Besonderes. Er war mit seinen 100 Jahren noch sehr agil und geistig fit. Er hat mir sehr viel über die Gründerzeit und die Arbeit von Tom in Tegenenge erzählt. Die Dolmetscherin war seine Tochter Angasa die mich in die Kunst der Steinbearbeitung eingeführt hat. Ein Erlebnis der besonderen Art waren die Abende in Toms Hütte wo alle gespannt seinen Abenteuern in Afrika lauschten. Er war ein begnadeter Geschichtenerzähler.
Tengenenge
Im Dorf
Tengenenge nach einem Gewitter
Tom und Amali Malola
Angasa Malola und Helmut
Tom der Geschichtenerzähler
Franz:
Wie hast du die Dorfparty, die anlässlich unseres Besuchs in Tengenenge organisiert wurde, erlebt?
Helmut:
Es war grandios. Schade wäre es gewesen wenn diese Fest nicht stattgefunden hätte – was beinahe passiert wäre: die von dir spendierte Kuh war über Nacht verschwunden und es galt sie wieder zu finden oder eine neue zu organisieren. Letzteres ist uns dann glücklicherweise gelungen.
Ein ganzes Dorf wie eine Filmkulisse. An allen Ecken und Enden wurde gekocht und gebacken. Von allen Himmelsrichtungen kamen stolze Männer, bunt gekleidete Frauen und Scharen von Kindern. Wir wurden feierlich empfangen und mit Lobreden überschüttet. Danach wurde bis spät in die Nacht getanzt, gegessen und getrunken.
Der nächste Tag, als wir mit Tom durch den „Skulpturenpark“ geschlendert sind und der anschließende Besuch in seinem Museum werden mir immer in Erinnerung bleiben. Danke Tom!
Die Vorbereitungen für die Party ...
... sind im vollen Gange
Alle kommen zum Fest
Lobreden auf Tom und seine Helfer
Tom schwingt das Tanzbein
Die Tafel ist gedeckt
Tom und "seine" Kinder
Franz und Tom auf dem Weg zum Museum
Tom und seine Büste
Helmut:
Wann hast du Tom kennengelernt?
Franz:
Das war im Jahr 2000. Ich muss vorausschicken, dass ich während der Boomzeit für Shona-Kunst zwar in Zimbabwe war, das alles aber weitgehend an mir vorbei ging. Erst als wir uns überlegt haben (mit meiner Familie) wieder zurück nach Deutschland zu ziehen kam uns die Idee uns ein zweites Standbein mit dem Vertrieb von Kunst zu schaffen. Da war Tengenenge die erste Adresse. Unser erster Besuch war ein Klassiker: Tom war in Tengenge um uns zu Empfangen. Gleichzeitig waren noch viele andere Besucher dort, wir alle haben Skulpturen gekauft, gemein gegessen und seinen Geschichten gelauscht.
Helmut:
Wie hat sich deine Freundschaft zu Tom entwickelt?
Franz:
Der Kontakt blieb, weil wir auch immer wieder mal Skulturen benötigten. Allerdings war da von Anfang an eine Seelenverwandtschaft. Tom war ja oft, meist unter der Woche, in Harare und hat entweder im Bronte Hotel oder bei Freunden in Highlands oder Alexandra Park gewohnt. Dort haben wir ihn getroffen und oft gemeinsam gegessen. Tom kam meist einmal im Jahr, während er in den Sommermonaten in Holland war, zu uns zu littleZIM um sein Tengenenge anzupreisen, seine Geschichten zu erzählen und um zu Tanzen. Bei einem etwas längeren Aufenthalt hat er - 85 jährig - sogar noch einen kleine Skulptur gebildhauert und an seinem Buch geschrieben.
Helmut:
Wann hattest du zum letzten Mal Kontakt zu ihm?
Franz:
Ich hatte zunehmend das Bedürfnis Zeit mit Ihm zu verbringen. Seine letzten Besuche bei littleZIM waren logistisch und transport-technisch zunehmend schwieriger, da er immer unbeweglicher wurde. Im Frühjahr 2019 habe ich ihn dann das zweite Mal für einige Tage in Enschede Besucht, bei ihm übernachtet und ihn dann zu einer Veranstaltung bei unserem gemeinsamen Freund und Kollegen Bastian Müller von Shona Art nach Witten mitgenommen. Die Reise war kurz und die Zuhörerschaft vielzählig und sehr interessiert.
Im Herbst 2019 war ich dann nochmals mehrere Tage bei Ihm in Enschede. Unvergesslich war wieder der Trip zum Fischmarkt und die Diskussionen über Tengenenge und sein neues Hobby, seine Geschichten in Bildern zu zeichnen. Dabei ist auch der kleine Film entstanden. Die Geschichte über King und Queen of the Zambezi ist ja sehr politisch, denn da hatte ja gerade der neue Präsident Totem Krokodil die Ex-Präsidenten Gattin entmachtet. Seine Geschichten waren bebildert und wie so oft sehr tiefsinnig (zumindest wenn man sich in der Materie auskannte). Oft aber in einer frivolen Verpackung.
Helmut:
Was hat dich an ihm am meisten beeindruckt?
Franz:
Da gibt es doch Einiges
1. Seine Art Geschichten zu erzählen und doch zuzuhören.
Er hat oft viel und lange erzählt. Man hatte dann manchmal den Eindruck,
es ist immer das Gleiche oder „das kenne ich schon“. Das war seine Art, aber gleichzeitig war er immer sehr aufmerksam und hat durchaus ganz konkrete Dinge an seinem Gegenüber gemerkt und verstanden. Oft kamen dann ganz unerwartete und passende Antworten zu Fragen die man nur nebenbei erwähnt hatte oder ein Rat zu einem Problem, das er an einem erkannt hatte. Alles in seiner spielerischen, homorvollen Leichtigkeit.
2. Seine immer possitive spitzbübische Art.
Er liebt alle schönen Dinge, Musik, Tanz und auch gutes Essen. Dabei war er sich durchaus bewusst, dass er sich kontrollieren musste, was sich am Alltäglichsten, beim Essen gezeigt hat. Immer ein Gentleman zu den Frauen, gerne auf der Tanzfläche so lange es überhaupt noch ging. Als er nicht mehr Bildhauern konnte hat er mit Zeichnen begonnen.
3. Sein absoluter Freitheitssinn und Bedürfnis nach Unabhängikeit.
Ich konnte dies besonders in den letzten Jahren beobachten. Ich hatte mich ja auch gefragt und war interessiert wie es für ihn so ist zwischen Europa und Zimbabwe zu pendeln. Ich glaube er war sich seiner Freiheit und Unabhängigkeit in Zimbabwe nicht mehr sicher und blieb deshalb letztendlich in Holland. Seine Freunde in Zimbabwe waren ihm wichtig, seine Freitheit aber noch wichtiger. Auf dem Velomobil gemeinsam zum Fischmarkt in Enschede zu fahren, dort von freundlichen Verkäuferinnen ein schmakhaftes Gericht zu bekommen und dann wieder selbständig nach Hause zu fahren, das mit 92. Das hat er bis zum Schluss genossen und hat ihn am Leben gehalten.
Helmut:
Möchtest Du noch was sagen?
Franz:
Tom hat immer von seinen Kindern erzählt und war sehr und immer mit Ihnen verbunden, besonders mit seiner Tochter. Außerdem waren seine Gedanken immer bei den Künstlern und ihren Familien in Tengenenge. Er hat nie aufgehört zu überlegen wie man wohl das Leben und die Skulpturen-Verkäufe dort unterstützen bzw. ankurbeln könnte. Das muss gesagt sein. Gleichzeitig hatte er wenig gute Freunde bis zum Schluss. Ich kenne vielleicht nicht alle aber zwei kenne ich und möchte sie erwähnen:
Geija und Huub Stassen
Diese Beiden haben Tom seine gute und erfüllte Zeit in Holland und das Pendeln zwischen Zimabwe und Europe im Alter ermögicht. Seine Freiheitsliebe und Unternehmungslust war für diese Beiden nicht immer nur eine Freude sondern auch zweifelsfrei eine Herausforderung. Denn seine Gesundheit war dann doch hier und da gefährdet, was die Führsorge der Beiden für Ihnen doch regelmässig auf den Prüfstand gestellt hat.
Bastian und Nina Müller-Mühlinghaus aus Witten
Bastian war sehr wichtig für Tom, um seinen Freiheiheitsdrang ausleben zu können. Bastian hat ihn immer wieder eingeladen, Transport bereit gestellt und ihn bei Event integriert. Für solche Outings hat er gelebt.
Abschließend muss ich im Auftrag von Tom an alle sagen:
Kommt nach Tengenenge, kauft Skulpturen, trefft dort die Menschen und Künstler und feiert wenn möglich eine Party mit Tanz. Wenn das nicht geht versucht Tom durch die Skulpturen aus Tengenenge zu euch ins Haus und in den Garten zu bringen.
Tom und Familie Müller-Mühlinghaus
Tom und Richard Kambuzuma im Jahr 2018
Tom und Merchers Chiwawa kurz vor seinem Tod
Geja und Huub Stassen (von links)